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MOON ABOVE



Mit einer Austronautin und einem Austronauten, beide in Form der Pieta im Weltraum schwebend, endet MOON ABOVE.

Moon above – Projektbeschreibung


Moon above ist eine musikalische Werkreihe, die sich mit politischen, kulturellen und symbolischen Grenzerfahrungen auseinandersetzt. Jeder Teil bezieht sich auf einen konkreten Ort, an dem territoriale, ideologische oder kulturelle Trennung spürbar ist. Die bisher bearbeiteten Orte sind: Tunis, Gaza, Tithwal (Kaschmir), Beijing, Ulaanbaator, Brüssel, der Nordpol und ein abschließender globaler Blick auf die Erde. Die musikalische Besetzung bleibt über alle Stücke hinweg konstant: Violine, Shakuhachi (japanische Bambusflöte), Altstimme, Gitarre und Pauken. Diese Kernformation wird jeweils durch ein Gastinstrument ergänzt, das symbolisch für die kulturelle oder historische Prägung des jeweiligen Orts steht. Eingesetzt werden u. a.: Rahmentrommel (Tunis), Klingreifen (Gaza), Tabla (Tithwal), chinesisches Schlagwerk (Beijing), Pferdekopfgeige (Ulaanbaator), Bassstimme (Brüssel), Glasklavier (Nordpol) und Streichorchester (Erde). Ein zentrales Anliegen des Projekts ist nicht die musikalische Integration oder Harmonisierung unterschiedlicher Traditionen, sondern das bewusste Komponieren mit Spannungen, Brüchen und Nicht-Übereinstimmungen. Musik dient hier nicht der Versöhnung, sondern der Wahrnehmung und der Auseinandersetzung mit Differenz. In zwei der Stücke werden Nationalhymnen kontrastierend und teilweise kontrapunktisch miteinander verzahnt: Die palästinensische Hymne trifft auf die israelische, die pakistanische auf die indische. Diese musikalischen Gegenüberstellungen sind nicht als Versöhnungsgeste gedacht, sondern als bewusste Konfrontation im Medium des Klangs. Die Hymnen erklingen gleichzeitig, überlagert, verschoben oder sich gegenseitig unterbrechend – manchmal als offene Gegenrede, manchmal als verblüffende harmonische Parallelführung. Die kompositorische Setzung bleibt dabei ambivalent: Keine Position wird aufgelöst, keine eindeutig priorisiert. Ein wiederkehrendes musikalisches Motiv ist die sogenannte „line of control“ – dargestellt durch eine auf einem Ton verbleibende, staccato gesungene Altstimme. Dieses Element steht exemplarisch für Grenzen, die keine Entwicklung zulassen, sondern Festschreibung und Trennung markieren. Die Bildwelt des Projekts wurde mit hilfe von ChatGPT aus textlichen Beschreibungen heraus KI-generiert. Dabei entstanden teilweise eigenständige, symbolisch aufgeladene Szenerien, die über das Musikalische hinaus weiterführen. So zeigt etwa das finale Bild eine „Pietà der Astronauten“ – ein Mensch, gehalten im schwerelosen Raum, mit Blick zurück auf den Mond: als Sinnbild für Verletzlichkeit, Isolation und die Fragilität des Weltbezugs.

Moon above ist ein Beitrag zur künstlerischen Auseinandersetzung mit realen und symbolischen Grenzlinien – nicht als Lösungsvorschlag, sondern als hörbare Form des Aussetzens, Aushaltens und Zeugnisgebens.

Der Titel Moon above wurde bewusst gewählt, da er nicht eine dominante Perspektive (over) einnimmt, sondern die schwebende, beobachtende Präsenz des Mondes betont – jenseits von Besitzansprüchen oder Blickrichtungen (above).

  1. Moon above Tunis

Ein pulsierender Grundrhythmus trifft auf gestisch angedeutete Melismen – eine Stadt zwischen Aufbruch, religiöser Spannung und postkolonialer Müdigkeit.

  1. Moon above Gaza

Zerbrechliche Klangmotive, unterbrochen von eruptiven Einschlägen – ein musikalisches Fragmentfeld zwischen kindlicher Intimität und zerstörerischer Präsenz.

3. Moon above Tithwal Zwei musikalische Linien bewegen sich voneinander weg und bleiben doch im selben Raum – mit der Tabla als irritierender Doppelpuls entlang der „line of control“.

  1. Moon above Beijing

Ein durchstrukturierter, aber atmosphärisch versperrter Klangraum – kontrolliert, dicht, mit abrupten Einbrüchen durch Schlagwerk, als musikalisches Echo systemischer Überwachung.

  1. Moon above Ulaanbaator

Offene Tonfelder, weite Intervalle, Reibung im Schweben – die Steppe klingt nicht im Fortgang, sondern im Nachhallen der Geschichte.

  1. Moon above Bruxelles

Zerrissene Hymnenfragmente im Wechselspiel mit tiefer vokaler Statik – ein Porträt politischer Rhetorik, die nach musikalischer Kohärenz sucht und scheitert.

  1. Moon above Northpole

Glasartige Klangflächen und tonale Leerstellen – eine symbolische Kälte, die jede nationale Zuschreibung auflöst und als Besitzanspruch entlarvt.

  1. Moon above Earth

Langsam kreisende Streicher, über denen keine Sprache mehr herrscht – der Versuch einer globalen Perspektive ohne Zentrum, aber nicht ohne Verantwortung.

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