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Weihnachtsbrief aus Süd-Indien

Weihnachtsbrief – Die Antwort bleibt aus Wir stehen wieder vor der Krippe. Vor dem Kind, vor Maria, vor den vertrauten Bildern. Und vielleicht ist das Erschreckende nicht, dass sie uns nichts mehr sagen – sondern dass sie uns keine Antwort mehr geben. Nicht, weil Gott schweigt. Sondern weil es keine Stimme mehr gibt, die uns entlastet. Ich kann mit dem Gerede von Gott, Inkarnation, Avataren nichts mehr anfangen. Nicht aus Ablehnung, sondern aus Ermüdung. Die Sprache verspricht Antwort, wo keine mehr zu erwarten ist. Der Satz, der mir daraufhin kam, kam nicht von außen. Er war kein Wort Gottes, keine innere Stimme, keine Offenbarung: Du kannst damit nichts anfangen, weil du das schon längst alles bist. Das Gespräch fand nicht statt. Und genau das ist der Punkt. Es wurde keine Antwort gegeben. Es gab nur die Antwort, die ich mir selbst geben konnte – und die ich mir nicht aussuchen konnte. Vielleicht ist das der eigentliche Skandal der Weihnacht für uns westliche Theologen: Die Krippe gi...
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Siva Mirror

Siva wird in vielen Darstellungen mit  geschlossenen Augen  gezeigt – versunken in Meditation, zurückgezogen aus der Welt. Doch das bedeutet nicht Blindheit, sondern ein  Sehen in die Tiefe , ein  inneres Gewahrsein . In der tantrischen Tradition ist Shiva das  Cit , das reine, augenlose Bewusstsein – das nicht durch Pupillen blickt, sondern  alles durchdringt . Siva sieht nicht – er ist das Sehen! Shiva als Spiegel: In der indischen Bildsprache wird Shiva oft als Spiegel der Wirklichkeit dargestellt – manchmal auch mit Lingam als Zentrum kosmischer Energie. Wenn du den Spiegel betrachtest, hat er kein Gesicht, keine Pupillen, keine Mimik. Und doch: Er gibt dir dein Bild zurück – genauer, als du es selbst je gesehen hast, weil Du dich selbst sehen kannst. Und wenn er bricht, zeigt er nicht weniger – sondern mehr - in ganz anderen Perspektiven. So wird  der Spiegel selbst zum Symbol Shivas : Formlos  – aber er formt alles ab Augenlos  – aber e...

Ein Hund im Tempel

  Ein Hund im Tempel – Sicherheitslücke oder Gotteszeichen? Zur theologisch-kulturellen Bedeutung eines Vorfalls im Arunachaleswarar-Tempel Ein Mann betritt den heiligen Tempel von Tiruvannamalai mit seinem Hund. Was auf den ersten Blick wie eine harmlose Szene wirken mag – ein Pilger, ein Tier, ein Ort des Gebets – hat einen ganzen Behördenapparat aufgeschreckt: Polizei, Tempelverwaltung, Öffentlichkeit. Warum? Weil die Wirklichkeit in Indien, wie überall, mehrschichtig ist – politisch, rituell, symbolisch, spirituell. 1. Der sicherheitspolitische Reflex – und seine Berechtigung Zuerst: die Polizei. Sie ermittelt nicht, weil ein Hund ein Tempelritual verletzt hätte, sondern weil der Mann die mehrstufigen Sicherheitsbarrieren an einem der wichtigsten Wallfahrtsorte Südindiens durchbrach – unkontrolliert, unbeachtet, unregistriert. Ein solcher Vorfall öffnet Türen für ganz andere Szenarien: Was, wenn es morgen ein Attentäter ist? Gerade Tiruvannamalai, wo sich Pilger aus all...

Shiva und Jesus – Berührungen im Staub

Shiva und Jesus – Berührungen im Staub  In der Religionsgeschichte wird häufig Krishna mit Christus verglichen – mitunter allein wegen der klanglichen Nähe der Namen. Doch diese Verbindung ist oberflächlich: Die übliche Lichtgestalt, der liebenswürdige Retter, der in den Ritualwelten residiert. Eine tiefere Resonanz lässt sich hingegen zwischen Shiva und Jesus finden – im Staub der menschlichen Randgebiete. Beide agieren nicht aus Palästen, sondern zwischen Unberührbaren, zerrissenen Leben und dem Gestank der Marginalität. Ihre Göttlichkeit zeigt sich dort, wo sie den Boden des Alltäglichen berühren.    Der Ort des Geschehens Jesus begibt sich zu den Ausgegrenzten: Aussätzige, Zöllner, Ehebrecher, Besessene – Menschen, die gesellschaftlich „unclean“ und tabuisiert sind. Ein prägnantes Beispiel: In Matthäus 8,1–4 spricht ein Aussätziger: „Wenn du willst, kannst du mich reinigen.“ Jesus streckt die Hand aus und berührt ihn – was nach dem jüdischen Reinheitsgesetz verbote...

The Shiva Temple of Tiruvannamalai, the Self in C. G. Jung, and the Western Sacred Church Architecture (German version also here at the end)

  The Shiva Temple of Tiruvannamalai, the Self in C. G. Jung, and the Western Sacred Church Architecture The temple is not a static mandala, but an embodied Self — and thus transcends Western notions of a central middle. The Self in Jung’s understanding is bodily, not to be misconstrued as purely spiritual: it unites instinct and intellect, body and mind, drives and sensual ecstasy. 1) The Temple of Arunachaleswarar The Arunachaleswarar Temple in Tiruvannamalai is regarded as one of the holiest Shiva temples in South India — a monumental complex infused with ritual symbolism, mythological depth, and architectural precision. Seen from above, it may at first resemble a mandala: concentric prakarams (circumambulatory corridors), four main gates in the cardinal directions, and a center housing the garbhagriha — the innermost sanctum with the lingam . A Nandi faces westward toward the shrine, while several halls, tanks, and subsidiary shrines form a seemingly balanced composition....

Indras Netz

  Zeit ist eine Täuschung – Musik aber erinnert uns„Wenn alles mit allem verbunden ist – wozu dann noch Zeit?“ Diese Frage stelltsich am Rand der Metaphysik, in der Stille nach einem Konzert, in der Tiefe einer Nacht, in der Indra’s Netz aufblitzt: jenes uralte Bildaus der vedischen Philosophie, in dem jeder Punkt des Universumsjeden anderen widerspiegelt. Unendlich. Glänzend. Ganz.Doch wir leben nicht im Ganzen. Wir leben in Momenten. Und darin: in der Musik.Musik: Ein Netz aus Klang und Gegenwart Musik ist seltsam.Sie braucht Zeit, sie fließt. Und doch hat sie die Fähigkeit, uns aus der Zeit herauszuheben. Ein einziges Themakann einen inneren Raum öffnen, in dem die Zeit nicht mehr vergeht, sondern schwebt. In dem ein Ton – obwohl längst verklungen –nachwirkt wie ein Spiegel im Netz. Eine Erinnerung, die zugleich Gegenwart ist.Ich erlebe dasbesonders in meinen eigenen Kompositionen – etwa in der Serie „Moon Above...“, in der ich meditative Elemente mit scharfen Zeitlinien konf...

Musik als geistige Anschaung - Musik und Archetyp

  Musik als spirituelle Perspektive – das klingt etwas verkopft, überintellektuell, abstrakt und substanzlos. Was ist mit Musik, die das Herz berührt, körperlich wirkt oder Musik „zerlegt“? Was ist mit Reggae, Folk, Dance, Rock, Punk, Pop usw.?  Musik beginnt nicht im Kopf. Sie beginnt im Fleisch. Im rhythmischen Stoß des Herzens. Im Schrei des Neugeborenen. In der Trommel vor der Schlacht. Im Heulen des Wolfes. Und doch entsteht aus diesem ursprünglichen Tierschrei etwas, das dem menschlichen Bild Gestalt verleiht. Nicht durch Konzepte. Sondern durch Formen.  Musik verkörpert Archetypen, bevor sie verstanden werden. Sie malt keine Bilder – sie formt innere Räume. Dort begegnen wir ihnen: der Großen Mutter – im Wiegenlied, dem Krieger – im Marsch, dem Liebenden – in der Klage, dem Betrüger – im Jazz, dem alten Weisen – in der Fuge. Diese Figuren sind nicht erfunden. Sie tauchen auf – immer wieder. Musik ruft sie hervor, als innere Bewegungen. Sie berührt nicht nur das Ohr...